Die Österreichische Energiewirtschaft ist stark von Importen abhängig. Im Jahr 2015 wurden rund 60,8 Prozent des Energiebedarfs (Strom, Wärme, Mobilität) in Österreich durch Importe gedeckt. Der Nettoanteil an importierter elektrischer Energie ist dabei zwar relativ gering, jedoch nicht dessen Auswirkungen auf den Strompreis. Bei der...
Österreichisch-deutscher Strommarkt
Österreichisch-deutscher Strommarkt
Die Österreichische Energiewirtschaft ist stark von Importen abhängig. Im Jahr 2015 wurden rund 60,8 Prozent des Energiebedarfs (Strom, Wärme, Mobilität) in Österreich durch Importe gedeckt. Der Nettoanteil an importierter elektrischer Energie ist dabei zwar relativ gering, jedoch nicht dessen Auswirkungen auf den Strompreis. Bei der elektrischen Energie ist Deutschland einer der bedeutendsten Lieferanten. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass es seit 2001, eine gemeinsame Stromhandelszone, auch „gemeinsame Preis- bzw. Gebotszone“ genannt, zwischen Österreich und Deutschland gibt. Das bedeutet, dass zwischen den beiden Ländern unbegrenzt und ungehindert Strom gehandelt werden kann und es überall faktisch denselben Preis für Strom gibt.
Zu den Vorteilen einer großen Preiszone zählt eine größere Liquidität, welche zu einem besseren Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage für die Volkswirtschaft führt. Auf österreichischer Seite wird besonders von niedrigen Strompreisen profitiert. Durch die temporäre Überproduktion an Strom, vor allem in Deutschland, sinkt der Marktpreis an der gemeinsamen Börse. Grund dafür ist der Ausbau erneuerbarer Stromerzeuger ohne ausreichender Netzinfrastruktur in Deutschland (siehe Artikel Energiespeicher). In Österreich wird der billige Überschussstrom unter anderem für das Auffüllen der Pumpspeicherkraftwerke genutzt, mit denen bei Bedarf teurer Spitzenstrom erzeugt werden kann. Dieser Spitzenstrom steht auch für den deutschen Strommarkt zur Verfügung. Damit erscheint die deutsch-österreichische Preiszone ein gelungenes Beispiel für einen internationalen Stromhandel. So zu sagen ein erster Schritt auf dem Weg zu einem gemeinschaftlichen, gesamteuropäischen Strom- und Energiemarkt.
Jedoch wird der gemeinsame Markt nicht von allen Seiten positiv gesehen. 2015 hat die europäischen Regulierungsbehörde ACER (Agency for the Cooperation of Energy Regulators) die unverbindliche Empfehlung herausgegeben, diesen aufzulösen und damit auch den Stromhandel zu beschränken. Wie kommt die ACER zur Ansicht, dass eine Trennung des Marktes erstrebenswert ist? Auslöser war ein Antrag der nationalen polnischen Regulierungsbehörde zur Abgabe einer Empfehlung bezüglich der Konformität der gemeinsamen deutsch-österreichischen Stromhandelszone mit den europäischen Richtlinien.
Warum aber fordert Polen eine Einschätzung zu einem Strommarkt, dem es selber nicht angehört? Durch den intensiven Ausbau der Windkraft im Norden von Deutschland, kommt es bei günstigen Wetterbedingungen zu einer Stromüberproduktion, dem wiederum eine zu niedrige Stromleitungskapazität für die Verbindung von Deutschland Norden und Süden gegenübersteht. Stattdessen fließt der Windkraftstrom über die polnischen und tschechischen Stromnetze und belastet dabei ihre Leitungen.
Die ACER empfiehlt also den gemeinsamen Markt zu trennen, da die bestehende Lösung, außenstehende Stromnetze belastet. Die deutsche Bundesnetzagentur ist derselben Meinung. Darum plant sie ab Mitte 2018, Maßnahmen zur Einschränkung des Stromhandels mit Österreich einzuführen und mit einem Engpassmanagement an der gemeinsamen Grenze zu beginnen. Polen und Tschechien plädieren ebenfalls für eine Auflösung des gemeinsamen Strommarktes, da sie sich davon eine Entlastung ihrer Stromnetze erhoffen.
Eine Auflösung des gemeinsamen Strommarktes würde wiederum zu unterschiedlichen Stromhandelspreisen in Österreich und Deutschland führen. Auf österreichischer Seite befürchtet man eine Erhöhung der Stromkosten um schätzungsweise 6% je Kilowattstunde.
Gegen die Trennung spricht, dass die Engpässe nicht an den Grenzen, sondern innerhalb Deutschlands auftreten werden und eine wirtschaftliche Nutzung derzeit nicht möglich ist. Langfristig kann nur ein Ausbau der Leitungskapazitäten innerhalb Deutschlands und den benachbarten Ländern zu sinnvollen Ergebnissen führen. Außerdem erscheint aus gesamteuropäischer Perspektive, die Auflösung eines funktionierenden, gemeinschaftlichen Teilmarktes kontraproduktiv und ein Schritt weiterweg vom Ziel der Errichtung eines einheitlichen, europäischen Strom- und Energiemarktes zu sein.
Wie sich eine Trennung auf die einzelnen Märkte auswirkt bleibt abzuwarten. Für Österreich entsteht ein neuer Anreiz, sich als führendes Expertenland im Bereich Energiespeicherung (siehe Beitrag Energiespeicherung) zu etablieren.
Deutlich zeigt das Beispiel des deutsch-österreichischen Strommarktes jedoch, wie schwer es in der Realität ist, Strom physikalisch voneinander abzutrennen und Wechselwirkungen zu vermeiden. Ebenfalls klar ist, dass es für den Aufbau eines funktionierenden gesamteuropäischen Strommarktes notwendig sein wird, ein Konzept zu entwickeln, welches Problemlösung und Management über die einzelnen Staatsgrenzen hinweg erlaubt.
QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
Abhängigkeit von Energieimporten in Österreich in den Jahren 2002 bis 2015 (statistia.com)
Der Energiemarkt voll in Bewegung. Jahresbericht 2015 – 2015 (E-Control)
Die deutsch-österreichische Strompreiszone – 2017 (EnergyNews Magazine)
Fragen und Antworten zur deutsch-österreichischen Strompreiszone – 2017 (E-Control)
Questions & Answers on the Agency’s Opinion No 09/2015 – 2015 (ACER)
Auswahl von Zeitungsberichte zum Thema:
Verbund gegen Trennung der deutsch-österreichischen Strompreiszone – 2016 (Boerse-Express)
Deutschland dreht Österreich den Strom ab – 2016 (DiePresse.com)
Kurzschluss an deutscher Grenze, Österreich droht Strompreis-Schock – 2016 (Kurier)
Schlecht für Österreich, gut für Deutschland? – 2016 (Bayernkurier)